Der Bundestag hat eine Masernimpfpflicht zum 1. März 2020 beschlossen. In diesem Zusammenhang erreichte uns vergangene Woche die Frage eines interessierten Bloglesers, wie der Masernschutz-Impfnachweis im arbeitsrechtlichen Kontext zu erbringen ist. Immerhin wird durch die Offenbarung gegenüber dem Arbeitgeber ein personenbezogenes Gesundheitsdatum verarbeitet.
Erste Impfpflicht seit 1874
Die Frage, ob der Staat seine Bürger zur Gesundheit zwingen darf, ist heftig umstritten. Befürworter und Impfgegner stehen sich unversöhnlich gegenüber. Gegner haben bereits angekündigt, gegen die erste Impfpflicht seit 1874, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Und was hat die Impfpflicht nun mit Datenschutz zu tun?
Der Entwurf sieht unter anderem vor, dass Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen oder medizinischen Einrichtungen tätig sind wie Lehrer, Erzieher, medizinisches Personal oder auch Tagepflegepersonen, nunmehr ihren Impfschutz gegenüber der Leitung nachzuweisen haben. Gemeinschaftseinrichtungen im Sinne des Gesetzes sind Einrichtungen, in denen überwiegend minderjährige Personen betreut werden. Dazu gehören etwa Kindertageseinrichtungen, Kinderhorte, Schulen, Heime oder auch Ferienlager.
Rechtmäßigkeit der Nachweisabfrage im Beschäftigungsverhältnis
Grundsätzlich ist § 26 BDSG die zentrale Vorschrift, wenn es um die Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses geht. Demnach dürfen Arbeitgeber nur solche personenbezogenen Daten der Beschäftigten erheben, verarbeiten und nutzen, die für die Begründung, die Durchführung oder die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind. Nach § 26 Abs. 8 Satz 2 BDSG gelten auch Bewerberinnen und Bewerber als Beschäftigte.
Ob eine Impfung durchgeführt wurde oder nicht, stellt gleichwohl ein „sensibles“ Gesundheitsdatum gem. Art. 9 Abs. 1 DSGVO dar. Gesundheitsdaten sind solche personenbezogenen Daten, welche Rückschlüsse auf die körperliche oder geistige Gesundheit einer natürlichen Person zulassen. Eine Verarbeitung ist grundsätzlich untersagt. Der Gesetzgeber hat in Erwägungsgrund 52 die Notwendigkeit von Ausnahmen gleichwohl erkannt:
„Ausnahmen vom Verbot der Verarbeitung besonderer Kategorien von personenbezogenen Daten sollten auch erlaubt sein, wenn sie im Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten vorgesehen sind, und – vorbehaltlich angemessener Garantien zum Schutz der personenbezogenen Daten und anderer Grundrechte – wenn dies durch das öffentliche Interesse gerechtfertigt ist, insbesondere für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten auf dem Gebiet des Arbeitsrechts und des Rechts der sozialen Sicherheit einschließlich Renten und zwecks Sicherstellung und Überwachung der Gesundheit und Gesundheitswarnungen, Prävention oder Kontrolle ansteckender Krankheiten und anderer schwerwiegender Gesundheitsgefahren.“
Die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung von Gesundheitsdaten muss sich jedoch stets an den strengen Ausnahmen des Art. 9 Abs. 2 DSGVO messen lassen.
Rechtsgrundlage für die Abfrage durch den Arbeitgeber
Die Verarbeitung durch den Arbeitgeber kann daher jedenfalls nicht mehr auf § 26 Abs. 1 BDSG gestützt werden. Auch nicht auf Abs. 3, da es sich bei der Nachweisabfrage nicht originär um arbeitsrechtliche Pflichten handelt oder um Sozialschutz.
Ebenfalls kann die Verarbeitung nicht auf Art. 9 Abs. 2 lit. h gestützt werden, da die Verarbeitung in diesem Fall gem. Abs. 3 nur einem Berufsgeheimnis unterliegenden Fachpersonal gestattet wird.
In Abgrenzung zu Abs. 2 lit. h schafft Abs. 2 lit. i einen Ausnahmetatbestand für die Verarbeitung sensibler Datenkategorien, die aus Gründen des öffentlichen Interesses im Bereich der öffentlichen Gesundheit erforderlich macht. Der Schutz vor Gesundheitsgefahren aufgrund von ansteckenden Infektionskrankheiten ist jedenfalls ein legitimes öffentliches Interesse. Aber Art. 9 Abs. 2 lit. i DSGVO allein kann nicht als Rechtsgrundlage dienen, sondern ist aufgrund seiner Klassifikation als Öffnungsklausel stets in Verbindung mit den entsprechenden nationalen Rechts anzuwenden.
Vorlagepflicht vor Beginn der Tätigkeit
In der deutschen Rechtsordnung wird der Schutz von Infektionskrankheiten maßgeblich durch das Infektionsschutzgesetz gewährleistet, welches nunmehr durch das Masernschutzgesetz weitreichende Änderungen erfährt. In § 23a IfSG heißt es dazu bisher:
„Soweit es zur Erfüllung von Verpflichtungen aus § 23 Absatz 3 in Bezug auf Krankheiten, die durch Schutzimpfung verhütet werden können, erforderlich ist, darf der Arbeitgeber personenbezogene Daten eines Beschäftigten über dessen Impf- und Serostatus erheben, verarbeiten oder nutzen, um über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder über die Art und Weise einer Beschäftigung zu entscheiden. Im Übrigen gelten die Bestimmungen des allgemeinen Datenschutzrechts.“
Der von Gesundheitsminister Spahn vorangetriebenen Gesetzesentwurf weitet die Abfrage durch den Arbeitgeber nunmehr über die in § 23 Abs. 3 IfSG genannten Stellen dahingehend aus, dass auch Beschäftigte von Gemeinschaftseinrichtungen vor Beginn ihrer Tätigkeit einen Impfnachweis vorzulegen haben. Kann der Beschäftigte den Nachweis nicht erbringen, so darf die Leitung ihm keine Tätigkeiten übertragen. Die Übertragung einer Tätigkeit ohne Impfnachweis stellt künftig eine bußgeldbewährte Ordnungswidrigkeit dar. Der Arbeitgeber hat daher ein gesteigertes Interesse daran, den Impfnachweis dokumentieren zu können.
Laut Gesetz kann der Nachweis durch eine Impfdokumentation (Impfausweis) oder in Form eines ärztlichen Zeugnisses vorgelegt werden. Die Frage wie das „Vorlegen“ von Dokumenten beim Arbeitgeber konkret ausgestaltet werden darf, ist bereits aus anderen Fragestellungen bekannt und umstritten. Etwa bei der Vorlage von Führungszeugnissen oder der Anfertigung von Führerscheinkopien, sofern den Beschäftigten Firmenwagen zur Verfügung gestellt werden.
Keine Kopie in Personalakte
Aufgrund des Grundsatzes der Datenminimierung gem. Art 5 Abs. 1 lit. c DSGVO und der besonderen Sensibilität von Gesundheitsdaten sollte auf die Anfertigung einer Kopie des vorgelegten Nachweises gleichwohl verzichtet werden. Insbesondere dann, wenn Mitarbeiter ihren Nachweis mittels Vorlage des Impfpasses erbringen wollen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Arbeitgeber noch weitere Impfungen und damit Gesundheitsdaten zur Kenntnis nimmt.
Der Nachweis der Impfung ist weder mit der Kontrolle, ob Mitarbeiter im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis sind, noch mit der Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses vergleichbar. Hier wird vertreten, dass, zumindest sofern eine gesetzliche Vorlagepflicht (etwa § 72 a SGB VIII) besteht, auch Kopien des Führungszeugnisses zur Personalakte genommen werden dürfen. Der Inhalt eines solchen Zeugnisses kann sich im Laufe eines Beschäftigungsverhältnisses gleichwohl ändern, sodass in regelmäßigen Abständen erneut ein Zeugnis vorgelegt werden muss.
Impfnachweis datenschutzkonform dokumentieren
Im Gegensatz zu den oben genannten Konstellationen gerät der Arbeitgeber im Fall der Masernschutzimpfung nicht in Beweisnöte. Sofern der Impfschutz einmal vorliegt, hält dieser in der Regel ein Leben lang. Als milderes Mittel erscheint es daher ausreichend, sich den entsprechenden Nachweis über die Impfung vorzeigen zu lassen und einen Vermerk darüber anzufertigen, dass der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin über den entsprechenden Impfschutz verfügt. Ein solcher Vermerk kann gegebenenfalls durch das 4-Augen-Prinzip mit Unterschriften der für Personalangelegenheiten betrauten Mitarbeitern dokumentiert werden.
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