Der Online-Versandriese Amazon ist bei vielen Menschen beliebt, aber auch gleichermaßen umstritten und steht immer wieder in der Kritik. Zuletzt hat die Landesbeauftragte für Datenschutz in Niedersachsen gegen die Amazon Logistik Winsen GmbH ein datenschutzrechtliches Kontrollverfahren eingeleitet und eine Untersagungsverfügung erlassen, gegen die Amazon geklagt hat. Vor dem VG Hannover hat der Online-Händler vergangene Woche nun Recht bekommen.
Ständige Mitarbeiterüberwachung bei Amazon ist zulässig
Das Verwaltungsgericht Hannover hat das permanente Tracken von Daten bei Mitarbeitenden der Amazon Logistik Winsen GmbH für zulässig erklärt. Amazon darf seine Mitarbeitenden also weiterhin durch den Einsatz von „Handscannern“ überwachen. Das Vorgehen von Amazon sei nicht zu bemängeln, sondern diene einem legitimen Zweck, nämlich der Steuerung von Logistikprozessen. Persönliche Eigenschaften würden dabei nicht überwacht.
Was war passiert?
Amazon betreibt in Winsen (Luhe) ein Logistikzentrum. Die Auslieferung von Waren aus dem Onlineversandhandel von Amazon wird dort koordiniert und abgewickelt. Damit bestimmte Arbeitsschritte der Mitarbeitenden erfasst werden können, werden dort während der Arbeitszeit in bestimmten Arbeitsbereichen Handscanner benutzt. Als nicht vereinbar mit dem Datenschutzrecht sah die Landesbeauftragte für Datenschutz Niedersachsen die Vorgehensweise in dem Logistikzentrum an und leitete ein datenschutzrechtliches Kontrollverfahren gegen Amazon ein, welches in dem Erlass einer Untersagungsverfügung resultierte.
Amazon wurde damit untersagt, aktuelle und minutiös genaue Qualitäts- und Quantitätsdaten der Mitarbeitenden lückenlos zu erheben und diese zur Erstellung von Quantitätsleistungs- und Qualitätsleistungsprofilen sowie für Feedbackgespräche und Prozessanalysen zu nutzen. Nach Ansicht der LfD Niedersachsen führe diese Art der Überwachung zu einem permanenten Leistungs- und Überwachungsdruck bei den Mitarbeitenden und verstoße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen.
Amazon hat gegen diese Untersagungsverfügung Klage eingereicht und zur Begründung entgegengehalten, dass ein berechtigtes Interesse an der Datenverarbeitung gegeben sei. Damit man bei der Steuerung der logistischen Dienstleistungen im Falle von Schwankungen entsprechend reagieren könne, sei es notwendig, aktuelle und minutengenaue individuelle Leistungswerte vorliegen zu haben. Es sei anhand der Leistungswerte erkennbar, ob Mitarbeitende an bestimmten Tagen ihren Aufgaben eher schnell oder langsam nachkämen und habe damit den Vorteil, dass durch eine Umverteilung darauf reagiert werden könne. Außerdem benötige Amazon auf längere Sicht von den Mitarbeitenden individuelle Leistungswerte, um Stärken und Schwächen der Mitarbeitenden erfassen und bei der Erstellung der Dienstpläne darauf reagieren zu können. Die Vorgehensweise ermögliche zudem
„die Schaffung objektiver und fairer Bewertungsgrundlagen für Feedback und Personalentscheidungen“.
Den Mitarbeitenden könne so
„objektives und individuell leistungsbezogenes Feedback gegeben werden, das nicht durch subjektive Wahrnehmungen beeinflusst sei“.
Entscheidung des VG: Mitarbeiterüberwachung rechtmäßig
Dieser Klage hat das VG Hannover in seiner Sitzung am Donnerstag vergangene Woche nun stattgegeben und die von der LfD Niedersachen ausgesprochene Untersagungsverfügung aufgehoben. Das Gericht teilte die Ansicht der Klägerin, dass im Bereich der Logistikdienstleistungen eine entsprechende Steuerung der Mitarbeiterauslastung und -verfügbarkeit erforderlich sei. Der Zweck der Datenverarbeitung sei die Steuerung der logistischen Abläufe und nicht die Erfassung persönlicher Daten.
Das Gericht hat jedoch auch betont, dass die Abwägung zwischen den entgegenstehenden Interessen schwierig gewesen sei. Komplett übersehen wurde das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mitarbeitenden von Amazon also nicht. In der Abwägung zwischen dem wirtschaftlichen Interesse des Unternehmens und dem Interesse der Mitarbeitenden, keiner permanenten Leistungsüberwachung ausgesetzt zu sein, stufte das Gericht das Interesse Amazons aber als überwiegend ein. Hier widerspricht es klar der LfD Niedersachsen, die der Ansicht ist,
„der durch die minutengenaue Leistungsdatenerhebung sowie deren weitere Verarbeitung entstehende Anpassungs- und Leistungsdruck sei höher zu gewichten als das wirtschaftliche Interesse des Unternehmens“.
Verbesserungsbedarf im Beschäftigtendatenschutz
Sowohl das VG Hannover als auch die Landesbeauftragte für Datenschutz in Niedersachsen sehen aber für den Beschäftigtendatenschutz dringenden Handlungsbedarf des Bundesgesetzgebers und das Erfordernis klarer Regelungen hinsichtlich der Grenzen einer Datenverarbeitung von Beschäftigten. Abseits des § 26 BDSG fehlen in Deutschland entsprechende Regelungen nämlich bislang noch.
Auch die DSK, Deutschlands Gremium der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder, hat bereits erkannt, dass im Beschäftigtendatenschutz klarer Verbesserungsbedarf besteht und im April 2022 eine Entschließung veröffentlicht, die die Forderung nach einem Beschäftigtendatenschutzgesetz beinhaltet. Hier wird auch explizit benannt, dass die Regelung des § 26 BDSG bei weitem nicht ausreichend ist. Weitergehende Regelungen seien überfällig, da § 26 BDSG nicht hinreichend praktikabel, normenklar und sachgerecht sei und als Generalklausel weite Interpretationsspielräume eröffne.
Die DSK ist außerdem im Hinblick auf eine Verhaltens- und Leistungskontrolle von Beschäftigten der Auffassung, dass Dauerüberwachungen des Verhaltens der Beschäftigten grundsätzlich, im Betrieb ebenso wie im Homeoffice, verboten sein sollen.
Letztes Wort wohl noch nicht gesprochen
Dass das Gericht der Argumentation der Klägerin gefolgt ist, mag zunächst bei vielen auf Unverständnis gestoßen sein. Das letzte Wort in dieser Sache könnte aber noch nicht gesprochen sein, da das Gericht die Berufung zum OVG Lüneburg zugelassen hat. Wie es in der nächst höheren Instanz weitergeht und ob der nationale Gesetzgeber sich einmal mehr aufgefordert fühlt, im Beschäftigtendatenschutz tätig zu werden, bleibt also abzuwarten.
Gefällt Ihnen der Beitrag?
Dann unterstützen Sie uns doch mit einer Empfehlung per:
TWITTER FACEBOOK E-MAIL XING
Oder schreiben Sie uns Ihre Meinung zum Beitrag:
HIER KOMMENTIEREN
© www.intersoft-consulting.de